"Saz ist die Zunge unserer Kultur"
Adnan Metin
Wer den Laden von Adnan Metin betritt, weiß nicht genau, was hier verkauft wird. Zwischen Sofas, Tischen, Lampen und Büchern hängen Instrumente von der Decke. Zuerst denkt man, es ist ein An- und Verkauf, doch das Bild trügt. Im Schaufenster steht ein Saxophon und auf einer Anrichte aus vergangen Tagen reihen sich Gitarren. Wer sich interessiert und fragt und etwas Zeit fürs Teetrinken mitbringt, kann Metin vielleicht beim Spielen auf der Saz zuhören, einer türkischen Laute mit sechs bis sieben Saiten, die auch Baglama genannt wird. Er spielt gern für seine Gäste. Und wer dann auf den Geschmack gekommen ist, kann hier selbst spielen lernen.
Adnan Metin ist Kurde und kommt aus Süd-Ost Anatolien. Er ist auf der Straße aufgewachsen - dort hat er das Leben gelernt und das Saz-Spiel. Seit 18 Jahren lebt er in Berlin, er kam der Liebe wegen. Inzwischen ist er geschieden und hat Kinder. Ein Jahr lang ging er bei Profis in die Lehre, um selbst Unterricht im Baglama-Spiel geben zu können. Zusätzlich zu den Kursen in seinem eigenen Laden, unterrichtet Metin in einer Reinickendorfer Musikschule 15 Schüler.
"Ich bin glücklich, eine Arbeit zu haben, die ich gerne tue", sagt er. Seit neun Monaten hat er den Laden in der Genter Straße. "Die ersten vier Monate musste ich aus eigener Tasche bezahlen, aber seit fünf Monaten muss der Laden sich tragen. Dafür habe ich meine Wohnung und meinen Garten verkauft." Vorher betrieb Metin ein Bistro. "Ich habe gerne mein eigenes Geschäft. Mit einem Chef habe ich Schwierigkeiten. Ich habe auch jetzt wieder das Risiko für diesen Laden übernommen und wieder bei Null angefangen. Dieser neue Laden ist meine letzte Chance." Sagt er und lacht. "Die Idee war am Anfang fast wie ein Witz,aber nun ist sie echt. Kann sein, dass es nicht funktioniert. Aber ich glaube, ich habe eine Chance ? obwohl ich erst seit neun Monaten hier bin, fühlt es sich an wie seit Jahren. Ich glaube, ich gehöre hierher."
Auf die Frage, warum er Saz spielt, sagt Adnan:
"Ich komme aus einem kleinen Dorf in Anatolien. Saz habe ich gelernt, weil es zu unserem Leben gehört. Sie ist die Zunge unserer Kultur. Es gibt eine Liebe zwischen mir und der Baglama. Das ist wie ein Instinkt, wie Essen oder Trinken. In unserer Kultur spielt Überlieferung eine große Rolle. Wir geben viele Traditionen mit dem Gesang weiter. Die Lieder handeln immer von Liebe, Leid, Krieg und Tod. Das ist weit mehr als nur Singen und Spielen, es ist Teil unserer Geschichte. Wenn ich hier spiele, steckt auch immer etwas Heimweh in der Musik." Etwas von diesem Heimweh hat Metin zu seinem künstlerischen Antrieb gemacht. Die Traurigkeit gibt seinem Spiel den Klang, ohne sie könnte er nicht spielen.
Der Saz-Spieler wünscht sich, dass die Musik seiner Heimat hier neue Einflüsse findet. "Ich möchte, dass sie sich hier mit anderer Musik mischt und dadurch das Instrument auch in Deutschland eine Heimat findet. Ich spiele viel Jazz und wir machen Samstag hier oft Jam-Session. Da kann jeder vorbeikommen, der etwas spielen oder singen kann und wir musizieren zusammen." Deshalb ist er Metin auch besonders stolz, dass er deutsche Schüler hat. In der Türkei, sagt er, habe jeder eine Saz zuhause, sie gehöre zur Standardausrüstung. Hier nicht - noch nicht: "Ich würde mich freuen wenn die Saz auch in deutschen Wohnungen Einzug hielte".